Von Sarah Tayara and Aimara Pujadas / GICJ

Übersetzt von Elina Siegfried

Seit fast 11 Jahren sind die Menschen in Syrien von einem brutalen Bürgerkrieg sowie humanitären Menschenrechtsverletzungen betroffen. Am Mittwoch, 26. Februar und Donnerstag, 27. Februar 2022 hielt der UNO-Sicherheitsrat Unterweisungen über die humanitären und politischen Entwicklungen im Lande. Der UNO-Sondergesandte für Syrien, Geir O. Pedersen informierte über die politische Lage, während UNO-Generalsekretär für humanitäre Angelegenheiten, Martin Griffiths, auf die humanitäre Lage einging. Bei den Treffen waren auch Vertreter der Zivilgesellschaft anwesend.

Politischer Stillstand

Pedersen klärte den Sicherheitsrat über die düstere Realität der politischen Lage in Syrien auf. Da sich an den Fronten des Konflikts nichts geändert hat, betonte er, sei eine militärische Lösung nicht in Sicht ist. In so einer angespannten Lage, zusammen mit dem tiefen gegenseitigen Misstrauen der Schlüsselstaaten des Konflikts, wie die Türkei und Russland, sind die Aussichten auf eine bessere politische Zukunft nicht sehr vielversprechend. 

Dennoch beteuerte Pedersen seine Bemühungen, essenzielle demokratische Initiativen voranzutreiben, um Staaten dazu zu bringen, sich gegenseitigen mit Massnahmen verpflichten. Diese gegenseitig verpflichtenden Massnahmen sind erforderlich für die Umsetzung der Resolution 2254 des UNO-Sicherheitsrats von 2015, in welcher die UNO zur Unterstützung und Förderung eines politischen Prozess unter syrischer Führung beauftragt wird. Deutschland, Iran, Katar, Russland und die Türkei zur Zustimmung zu bewegen, ist nur eines der Probleme, mit denen der Sonderbeauftragte zu kämpfen hat. Die Überwindung kritischer Spannungen zwischen der syrischen Opposition und der russischen Delegation war noch schwieriger, insbesondere während der Astana-Treffen am 21. Dezember 2021 in Nur-Sultan, Kasachstan.

Darüber hinaus sprach Pedersen auch vor dem realen syrischen Verfassungsausschuss, der im Anschluss an die Resolution 2254 des UNO-Sicherheitsrats über ein Abkommen zwischen der syrischen Regierung und der oppositionellen syrischen Verhandlungskommission eingesetzt wurde. Dabei verdeutlichte er, dass die Parteien nur wenig Anstrengungen unternommen haben, um Worte in Taten umzuwandeln. Vor allem die syrische Regierung stellt ein erhebliches Hindernis dar, um den Prozess mit Gesprächen in Damaskus voranzubringen. 

Schliesslich wies Pederson auf die prekäre Lage Hunderttausender syrischer Zivilisten hin, welche sich nach wie vor inmitten der politischen Machtspiele der verschiedenen Konfliktparteien befinden. Insbesondere ging er auf die jüngste Bombardierungen mehrerer Städte im Nordwesten Syriens durch russische Kampfflugzeuge sowie auf die israelischen Luftangriffe vom 28. Dezember 2021 auf den syrischen Handelshafen Latakia ein.

Humanitäre Notlage

Betreffend die humanitäre Lage, hob Griffith die dramatische Situation im Land hervor. Die wirtschaftlichen Turbulenzen, die steigenden Lebensmittel- und Benzinpreise, die unkontrollierbare Ausbreitung von COVID sowie die zunehmende Arbeitslosigkeit haben zu einer unvorstellbaren Armut und Not geführt. Griffith erwähnte die jüngsten Entwicklungen betreffend die Lieferung humanitärer Hilfe sowohl über die Grenze der Türkei nach Syrien als auch über die Grenze von der von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiete in Gebiete ausserhalb dieser Kontrolle. Dabei betonte er, dass die Bemühungen grenzüberschreitender humanitärer Hilfe in Syrien fortgesetzt werden müssen, da sie für Millionen von Syrern eine wichtige Lebensgrundlage darstellt sowie den Schutz von Tausenden humanitären Helfern gewährleistet.

Ausserdem wurden die unerträglichen Lebensbedingungen durch den strengen Winter verschlimmert. Gemäss Mark Cutts, stellvertretender regionaler Koordinator für humanitäre Hilfe der UNO, verwandelten sich Lager für Binnenvertriebene dabei in Katastrophengebiete. Starke Schneefälle sowie sinkende Temperaturen führten nach Angaben des OCHA zur Beschädigung und Zerstörung von über 9000 Zelten , welche den mehr als 300'000 Binnenvertriebenen Zuflucht bieten. Die Not hat sich über die Grenzen Syriens hinaus ausgeweitet. Gemäss OCHA wurden auch in der Türkei bis zu 362 Zelte beschädigt, wovon bis zu 2124 syrische Flüchtlinge, die im Land leben, betroffen sind. 

Trotz der Bemühungen humanitärer Helfer, welche Unterstützung boten beim Räumen von Strassen, der Einrichtung von mobilen Kliniken, dem Reparieren von beschädigten Zelten oder dabei, Lebensmittel, Decken und Winterkleidung zur Verfügung zu stellen, starben drei Kinder infolge der extremen Wetterbedingungen und der Unfälle in Verbindung mit erfolglosen Versuchen, Zelte zu wärmen. 

Der Mangel an materiellen Mitteln für die Bewältigung der extremen Witterungsbedingungen sowie die Verwendung gefährlicher Materialien, um sich warm zu halten, haben zu schwerwiegenden Auswirkungen auf die Gesundheit geführt, sodass umweltliche Auswirkungen inzwischen unvermeidlich geworden sind. 

Geneva International Centre for Justice (GICJ) ist nach wie vor über die politische und humanitäre Lage in Syrien zutiefst besorgt. Mehr als ein Jahrzehnt seit dem Beginn des Konflikts werden die Bedürfnisse der syrischen Bevölkerung von der syrischen Regierung noch immer nicht wirklich berücksichtigt. GICJ ist besonders über die Situation von Kindern und älteren Menschen beunruhigt. Diese sind besonders schutzbedürftig und kämpfen aufgrund der fehlenden Ressourcen am meisten ums Überleben.

GICJ fordert alle Parteien des Konflikts auf, sich durch die Mechanismen der Resolution 2254 dazu zu verpflichten, Menschen in Syrien in den Mittelpunkt zu stellen und alle Militäraktionen gegen Zivilisten unverzüglich einzustellen. Mit dem Heranrücken des 11. Jahres des Konfliktes, sollte die Linderung des Leidens der syrischen Zivilbevölkerung nicht zweitrangig sein, sondern vielmehr eine zwingende Notwendigkeit für die syrische Regierung und die internationale Gemeinschaft darstellen.

Justice, Human Rights, Geneva, geneva4justice, GICJ, Geneva International Centre For Justice

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