Gefährdete Gruppen - Opfer von Gewalt in Honduras

49. Tagung des Menschenrechtsrates

28. Februar - 1. April 2022

PUNKT 2 - Mündlicher Bericht des Hohen Kommissars, gefolgt von einer Präsentation der Berichte über die Aktivitäten des OHCHR in Kolumbien, Guatemala und Honduras

8. März 2022

Von Lian Martínez / GICJ

Übersetzt von Elina Siegfried

Überblick

Am 8. März 2022 lieferte die Hohe Kommissarin für Menschenrechte, Michele Bachelet, während der 49. Tagung des UN-Menschenrechtsrats einen umfassenden mündlichen Bericht über die jüngsten Entwicklungen der Menschenrechtslage in Kolumbien, Guatemala und Honduras, sowie in Zypern und Eritrea. Die Hohe Kommissarin forderte die Behörden auf, ihre Aufmerksamkeit primär auf die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit zu richten, insbesondere den Zugang zur Justiz, der Förderung des bürgerlichen Raums und der Beteiligung der Zivilbevölkerung. Dabei wurde die Notwendigkeit der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte beleuchtet sowie die Ergreifung von Massnahmen, um deren vollumfängliche Umsetzung zu gewährleisten. Ausserdem wurde die Förderung der Gleichstellung und das Diskriminierungsverbot von Personen in verletzlichen Situationen angesprochen wie z.B. die Prävention und Frühwarnung von sozialen Konflikten und Menschenrechtsverletzungen. 

Der Bericht der honduranischen Delegation konzentrierte sich auf den Schutz der Rechte von Frauen, LGBTQI-Personen, Menschenrechtsverteidigern und Umweltschützern. Der Staatssekretär bekräftigte den festen Willen der Regierung, die indigenen Völker zu respektieren und betonte, dass in den ersten Monaten der Präsidentschaft Castros bereits erste politische Gefangene freigelassen worden seien. 

Hintergrund

Am 4. Mai 2015 unterzeichnete die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen eine Vereinbarung mit der Regierung Honduras’ betreffend die Einrichtung eines Staatsbüros. Unter Einhaltung seines Mandats überwacht das Büro der Hohen Kommissarin für Menschenrechte in Honduras (OHCHR-Honduras) die Menschenrechtssituation des Landes und bietet Kapazitätsaufbau und technische Unterstützung für staatliche Institutionen. Darüber hinaus arbeitet das Büro mit nationalen Menschenrechtsinstitutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft zusammen, um die Förderung und den Schutz der Menschenrechte im Land zu verbessern. 

Der Bericht der Hohen Kommissarin wurde dem Menschenrechtsrat unter Artikel V, Paragraph IV der Vereinbarung zwischen der Hohen Kommissarin und der Regierung Honduras’ unterbreitet, mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Institutionen, die die Rechtsstaatlichkeit stärken , die Straflosigkeit bekämpfen und die Sicherheitspolitik in einem von Gewalt und Unsicherheit geprägten Umfeld fördern.  Insbesondere sollen sie sich auf die Situation von Menschenrechtsverteidigern, indigenen Völkern, Frauen sowie wirtschaftliche und soziale Rechte fokussieren. 

Michelle Bachelet leitete ihren Bericht über Honduras (A/HRC/49/21) ein, indem sie die Menschenrechtslage zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2021 beleuchtete. Der Bericht basiert auf den vom OHCHR zusammengetragenen, analysierten Informationen sowie auf Informationen, die von den Staatsbehörden zur Verfügung gestellt wurden. Dabei sind auch Informationen aus der Zivilgesellschaft, von Opfern und anderen Beteiligten umfasst. 

Die Hohe Kommissarin bekräftigte ihre Zusage, Honduras bei der Stärkung des Schutzes der Menschenrechte für alle Menschen zu unterstützen und forderte die Behörden eindringlich auf, eine Reihe von Empfehlungen umzusetzen, darunter die Umsetzung einer Kriminalpolitik mit einem menschenrechtsbasierten Ansatz, die Verbesserung der Unabhängigkeit der Justiz, den Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt und die Gewährleistung der Rechte von LGBTQI-Personen. 

Der mündliche Bericht der Hohen Kommissarin

Michelle Bachelet äusserte Besorgnis über die wachsende Armut, Ungleichheiten, Straflosigkeit und Korruption sowie die anhaltende Diskriminierung and das hohe Niveau an Gewalt, welches das Land in 2021 prägte. Sie unterstrich die Zunahme der Armutsrate im Land von 64.7% in 2019 auf 73.6% in 2021. Sie bekundete, dass die Covid-19 Pandemie überdies eine grosse Rolle in der Verschlechterung des Zugangs zur Bildung spielte, mit 41% von Kindern im schulpflichtigen Alter, die aufgrund fehlender digitaler Ressourcen nicht am Bildungssystem teilhaben konnten. 

Die hohe Wahlbeteiligung an den Präsidentschaftswahlen vom 28. November 2021, welche zum ersten Mal eine Frau zur Präsidentin kürten, wurde begrüsst . Nichtsdestotrotz bedauerte die Hohe Kommissarin die Gewalt im Vorfeld der Wahlen, darunter 69 Fälle, bei denen 30 Menschen ums Leben kamen. Abschliessend betonte sie die Notwendigkeit, die Täter dieser Menschenrechtsverletzungen und Missachtungen zur Verantwortung zu ziehen.

Michelle Bachelet forderte die Behörden auf, die Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Institutionen zu begünstigen. Sie missbilligte die Tötung von 318 Frauen und 28 Mitgliedern der LGBTQI-Gemeinschaft, die ihr Büro dokumentierte,  und verlangte schnelle und gründliche Untersuchungen. Sie verurteilte zudem die Angriffe und Drohungen gegen 302 Menschenrechtsverteidiger und Journalisten, von denen im Jahr 2021 zehn getötet wurden.

Zwar begrüsste sie das Urteil im Mordprozess gegen die bekannte honduranische Umweltschützerin Berta Cáceres, jedoch zeigte sich Bachelet besorgt über die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und den fehlenden Zugang zur Justiz für Opfer in anderen Menschenrechtsfällen. Sie forderte die Regierung eingehend auf, ihre Massnahmen zur Stärkung des Schutzes aller Menschenrechtsverteidiger zu intensivieren. Michelle Bachelet erklärte, dass Korruption in Honduras weiterhin ein ernstes strukturelles Problem bleibe. Sie unterstrich, dass jüngste rechtliche Reformen, wie z.B. Erlass 93-2021, welcher die Freilassung und den Freispruch mehrerer wegen Korruption angeklagter und verurteilter Beamter erleichterte, zur Schwächung der Rechtsstaatlichkeit beitrage. Die Hohe Kommissarin sprach zudem über Konflikte zwischen Bergbauunternehmen und lokalen Gemeinschaften, die zu Angriffen und gewaltsamer Vertreibung von Umweltschützern führen. 

Bericht der honduranischen Delegation

Die Delegierte von Honduras bekräftigte die Bemühungen von Xiomara Castro, der neu gewählten Präsidentin der Republik Honduras, zum Schutz der Grundfreiheiten der Rechte von Frauen, Menschenrechtsverteidigern, Migranten, stigmatisierten Personen und Personen, die Opfer systematischer Menschenrechtsverletzungen geworden sind. Darüber hinaus versicherte sie, dass sich alle Vorschläge und Massnahmen der Regierung auf die Förderung der Menschenrechte fokussieren würden.

Die Delegierte legte dar, dass mehrere politische Gefangene aus dem Gefängnis entlassen wurden in Anbetracht der menschenrechtlichen Verpflichtungen der Präsidentin und mittels eines neuen Gesetzes des Nationalkongresses, mit dem der Prozess der politischen Verfolgung aufgehoben wird. Die honduranische Regierung äusserte tiefste Besorgnis über die fehlende Verantwortlichkeit von Unternehmen, welche für die Verletzung fundamentaler Rechte der indigenen Völker verantwortlich sind, insbesondere mit einem Fokus auf die Haftung für die Wiedergutmachung gegenüber Opfern des Projekts "Zonen für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung" (ZEDE). Die Initiative wurde aufs Gröbste verurteilt, da diese eine ernsthafte Bedrohung für das Recht auf freie, vorherige und informierte Konsultation der indigenen und afroamerikanischen Völker sowie für das Recht auf gerechte und nachhaltige Entwicklung darstellt. 

Schliesslich betonte die honduranische Delegierte das Engagement der Regierung, die Wahrheit zu finden und Gerechtigkeit zu garantieren, inspiriert von den Menschenrechtsaktivisten und -verteidigern Berta Cáceres und Erzbischof Óscar Arnulfo Romero.

Position von Geneva International Centre for Justice

Geneva International Centre for Justice (GICJ) begrüsst den Bericht des OHCHR über die Menschenrechtslage in Honduras und hofft, dass dieser die neu gewählte Regierung dazu ermutigt, die Grundfreiheiten der honduranischen Bevölkerung zu schützen und zu garantieren. GICJ fordert Honduras zudem auf, sich auf die Bemühungen zur Reform und Stärkung der für die öffentliche Sicherheit zuständigen Institutionen zu konzentrieren, um die Bekämpfung der Korruption innerhalb der Regierungsstellen zu garantieren. Das GICJ fordert Honduras auf, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass bei der Entwicklung von Unternehmensprojekten die Rechte gefährdeter indigener Gemeinschaften in vollem Umfang gewahrt werden. Wir betrachten überdies die Umsetzung öffentlicher Massnahmen für notwendig, um die volle Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte zu erreichen, mit besonderem Fokus auf Menschen in prekären Situationen, und insbesondere, um die Folgen der Pandemie, die Zunahme der Armut und die strukturelle Ungleichheiten zu mildern. Wir rufen die honduranische Regierung auf , dringende Massnahmen zu ergreifen, um die nationale Gesetzgebung an die internationalen Menschenrechtsstandards, die Förderung und den Schutz des städtischen Raums anzupassen. Wir befürworten auch die Verhütung, Untersuchung und Bestrafung von Menschenrechtsverletzungen und Straftaten gegen Frauen, LGBTQI-Personen, indigene Völker, Afro-Honduraner, Journalisten und Menschenrechtsverteidiger.


Read in English

Human Rights Defenders, Human Rights in Honduras, Human Rights Violations, Latin America, Law, International, UN, Oral Update, International Relations, Accountability, Indigenous Peoples, Human Rights Council, 49th HRC, Justice, Human rights, Geneva, geneva4justice, GICJ, Geneva International Centre For Justice

GICJ Newsletter